Futteraggression selbst gemacht?

Futteraggression selbst gemacht?

Das Problem mit den klassischen Übungen

Futteraggression gegenüber den eigenen Menschen ist gar kein so seltenes Thema, wie man meinen könnte. Im Training mit Hundehaltern treffe ich regelmäßig auf Hunde, die ihren Napf oder Kauknochen vehement und absolut ernsthaft gegen jeden verteidigen, der sich ihnen nähert. Vorallem aber gegenüber ihren zweibeinigen Familienmitgliedern.

Dazu gehören viele Hunde, deren Futteraggression durch eine allgemein beliebte Übung von Hundebesitzern entweder noch massiv verstärkt oder sogar erst hervorgerufen wurde:

Warte auf Dein Fressen!

Im folgenden Video zeige ich euch eine ganz klassische Übungsvariante, die ich für ziemlich geeignet halte, bei entsprechenden Hundetypen – vorallem denen mit einer latent ohnehin schon vorhandenen Neigung zur Futteraggression – Probleme erst richtig eskalieren zu lassen!

Leider gehören diese oder ähnliche „Trainingsempfehlungen“ nach wie vor zu beliebten Tipps sogar gegen die Futteraggression… Dabei beschränkt man sich hier ganz vordergründig nur auf die „Impulskontrolle“, ohne am eigentlichen Problem des Hundes etwas zu verändern.

 

Nun ist es keinesfalls falsch, dass jeder Hund Impulskontrolle und Frustrationstoleranz lernen sollte. Sicherlich auch am Futter. Für Hunde jedoch, denen Fressbares so wichtig ist, dass sie so schnell wie möglich inhalieren und schlingen, ist das „Warten vor dem Futter“ nur bedingt als Übung zur Impulskontrolle und Frustrationstoleranz geeignet. Denn sie haben häufig ganz anders gelagerte Grundprobleme:

Erfahrungen mit Hunger, damit einhergehend oft notwendiger Ressourcenverteidigung, fehlendes Management bei der Welpenfütterung schon beim „Züchter“ sowie genetische Dispositionen.

Und darüber sollten wir Menschen uns fairerweise Gedanken machen, bevor wir von solchen Hunden Impulskontrolle verlangen und damit das Problem im Zweifel erst richtig schlimm machen und Futteraggressionen befördern.

Wie Futteraggression entsteht

Wie wir Menschen Futterverteidigung bei  Hunden emotional einordnen und damit umgehen können, spielt tatsächlich zunächst keine Rolle: Sein Futter gegen andere verteidigen zu dürfen, ist ein genetisch und sozial manifestiertes Erbe des Wolfes. Denn entgegen anderslautender Ammenmärchen haben auch „rangniedere“ Rudelmitglieder das Recht, auf ihrem Anteil an Nahrung gegenüber jedem anderen zu bestehen. Beim Hund also grundsätzlich auch gegenüber seinem eigenen Besitzer.

Trotzdem ist ein futteraggressiver Hund in unserer Welt ein Problem und bringt – unleugbar – Gefahren mit sich. Im Zuge der Vereinfachung des Zusammenlebens zwischen Mensch und Hund ist Futterverteidigung dementsprechend nicht unbedingt das, womit sich ein Hundehalter konfrontiert sehen möchte. Es passiert aber Tag für Tag.

Ob ein „Training“ gegen Futterverteidigung erfolgreich sein wird, steht und fällt nicht nur mit Traingswegen, sondern ist insbesondere abhängig davon, ob der Hundehalter das ursprüngliche Problem seines Hundes richtig einzuordnen in der Lage ist.

1. Hungern kennen viele Welpen schon

Damit ist nicht der normale Hunger gemeint, der den Welpen zur Milchbar seiner Mutter treibt, sondern hungern in dem Sinne, dass jede Kalorie für das Überleben zählt.

Das ist in der Regel der „tagtägliche Überlebenskampf“ von Geburt an für fast alle Hunde aus dem Welpenhandel, von illegalen Vermehren, gekauft über die einschlägigen Online-Portale oder gemeinhin Würfen aus schlechter Haltung. Aber auch von ausländischen Straßenhunden dort, wo das Nahrungsangebot zumindest zeitweise knapp ist. Denn wenn die Mutter schon unter- oder mangelernährt ist, gibt es weder beim Säugen noch beim späteren Zufüttern  wirklich verlässlich genug für alle.

Eine Vergangenheit, die unzählige Hunde teilen, die inzwischen in deutschen Haushalten leben und ihre Menschen zur Verzweiflung bringen, weil sie das mit dem Essen dann schon wirklich ernst meinen!

2. Fehlendes Fütterungsmanagement beim „Züchter“

Den „Züchter“ setze ich hier bewusst in Anführungszeichen, weil ein guter Züchter tatsächlich ein Fütterungsmanagement hat, insbesondere bei großen Würfen.

Mir stehen jedes Mal die Haare zu Berge, wenn ich in den sozialen Medien geteilte Videos von „Welpenfütterungen“ sehe, bei denen 10, 12 oder 14 Welpen rangelnd, schreiend und um sich beißend versuchen, irgendwie ihre Portion zu ergattern und dabei wie irre schlingend in gefühlten 5 Sekunden den Gemeinschaftsnapf geleert haben.

Wenn die schiere Masse an Geschwistern schon dafür sorgt, dass der einzelne Welpe das Gefühl hat, nicht zu seinem Recht auf Nahrung zu kommen – dann muss ich mich über eine Futteraggression am Napf auch später gegenüber dem Menschen nicht wundern.

Hier ist der Welpenaufzucht Verantwortung gefragt und gefordert, denn man kann natürlich durch das Angebot mehrerer Futterschüsseln diese Situation bei großen Würfen recht einfach entschärfen. Mal davon abgesehen, dass ein guter Züchter sich auch regelnd einbringen wird, wenn er bemerkt, dass einer seiner Schützlinge regelmäßig an der Futterschüssel die anderen zur Schnecke macht.

Zieht ein Welpe bei mir ein, der von Tag 1 seines Einzugs jede Mahlzeit wie irre hinunter schlingt, sollte das gerade für Hundeanfänger schon ein potenzielles Warnzeichen im Hinblick für entstehende spätere Konflikte rund um das Thema Essen sein. So kurz, so klar.

3. Genetische Dispositionen

Es gibt Hunderassen, zu deren gentischem Erbe es gehört, viel Nahrung in sehr kurzer Zeit herunterzuschlingen. Dazu gehören u.a. der allseits beliebte Labrador Retriever und Golden Retriever.

Zwei „Familienhunderassen“ die immer wieder durch zum Teil heftige Futteraggressionen gegenüber ihren eigenen Hundebesitzern und in der Familie auffallen. Auch wenn da keiner gerne drüber spricht, wissen wir Hundetrainer und auch Tierheime sehr wohl um dieses Problem.

Man kann es auch recht einfach erklären: Wer ursprünglich bei Scheißwetter, Kälte und Regen zur Jagdsaison wochenlang Tag für Tag stundenlang still auf den Schuss warten können muss, um dann ins noch kältere Wasser zu springen und punktgenau die geschossene Ente zu apportieren – der sollte das Thema Essen schon wichtig nehmen!

Ähnliches gilt für die klassischen Meutehunde wie den Beagle oder Foxhound. Wer lange, ausdauernd und selbstständig Fährten verfolgen soll, der muss seine Energiereserven schnell  und zügig auffüllen können. Für Futtermäkler und Prinzessinnen auf der Erbse ist da einfach kein Platz.

Kommt dann noch fehlendes Fütterungsmanagement bei der Welpenaufzucht dazu, sind die Weichen von Anfang an schon ungünstig gestellt.

Warum Impulskontroll-Übungen nicht gegen bestehende Futteraggression helfen

Ganz simpel: Es ändert nichts beim Thema am Napf oder Kauknochen selbst.

Natürlich kann ich mit meinem Hund üben, dass er nicht sofort zum Futter darf. Wenn er aber erst einmal dort ist, bleibt das Problem. Im ungünstigsten Fall macht man es durch solche Übungen schlimmer und der Hund zeigt sich erst recht aggressiv. Denn Hunde, die hungern kennen, die vorher schon Angst haben mussten, ihren Teil nicht abzubekommen, denen verwehrt man nun erneut das Stillen eines elemanteren Grundbedürfnisses. Man macht durch solche Aktionen das Essen für sie noch wichtiger und begibt sich aus Sicht bestimmter Hunde sogar in einen direkten Konkurrenzkampf um die Ressource Fressbares. Dass sie es trotzdem bekommen hätten, wissen sie ja nicht. Woher auch? Ihre Erfahrungen waren bisher schließlich ganz anders.

Ich habe in meiner Laufbahn als Hundetrainerin mehr als einmal Hundehalter gesehen, die zur Fütterung ihrer Hunde quasi in Vollmontur angetreten sind: Dicke Handschuhe, Stiefel mit Stahlkappen, gepolsterte Arbeitshosen, bewaffnet mit Besen oder Schaufel und die Kinder im Wohnzimmer eingeschlossen. Und dann ging der Gong zum Kampf – sitz, platz, lauf, hier, nein!

Die Stimmung bei Mensch und Hund zum zerreißen angespannt, die Atmosphäre im wahrsten Sinne des Wortes bombig…

Impulskontrolle heißt nicht Entspannung!

Wer bei meinem Video hingesehen hat, wird es bemerkt haben: Die Impulskontrolle meines Hundes am Futter war total super. Aber eins war er im Leben nicht – entspannt beim Thema Essen! Deswegen hat er mich auch mehrfach angesprungen.

Vielleicht mag der eine oder andere beim Anschauen zunächst gedacht haben: „Wow, das möchte ich auch mit meinem Hund können!“

Den Zahn ziehe ich an dieser Stelle sofort. Dieser Hund gehört nämlich auch zu denen, die wirklich wissen, was hungern ist und der als abgemagertes Klappergestell bei mir ankam. Impulskontrolle hat er an anderen Stellen gelernt, keineswegs so und schon gar nicht an seinen festen, regulären Mahlzeiten. Dann hätte ich im schlimmsten Fall heute nämlich den futteraggressiven Hund…

Genau so ist aber häufig der Werdegang zur Futteraggression. Dem Hund ist Essen aus bestimmten und sehr individuellen Gründen wirklich wichtig, er ist schon furchtbar aufgeregt bei der Essenszubereitung, kann es kaum abwarten – und dann kommt der Mensch und will das ändern.

Schema-F ist selten gut und Futteraggression nicht gleich Futteraggression

Veränderungen funktionieren nicht nach Schema-F und sie funktionieren schon gar nicht, wenn sie am Problem des Hundes vorbeigehen.

Ein Hund, der einfach nur überbordend und frech bei der Futtervergabe ist, der darf und soll sich gerne in Impulskontrolle üben. Und der Mensch sich gleichzeitig positionieren, dass er bestimmte Verhaltensweisen nicht tolerieren wird. Nur weniger schlingen und langsamer fressen wird der Hund durch solche Übungen nicht.

Dann gibt es die Hunde, die über Ressourcen ihre Halter in Frage stellen und darüber das Beziehungssystem und Regeln überprüfen. Das kann auch am Futternapf sein, wird dann in der Regel aber nicht die einzige Situation mit Konfliktpotenzial sein.

Und zum Schluss die besorgten Hunde, die einfach nur in ihrem Bedürfnis nach „satt sein wollen“ gesehen werden möchten…

Ich fasse zusammen: Reine Impulskontroll-Übungen passen nicht zu jedem Hund und noch lange nicht zu Hunden, denen aus ihren Vorerfahrungen heraus Futter aus ganz existenziellen Gründen des Überlebens wichtig war und ist.

In der Ruhe liegt die Kraft – auch beim Fressen

Bemerkt man als Hundehalter, dass der vierbeinige Neuzugang ein Problem mit dem Fressen hat, sollte man zuerst einmal für Ruhe und Normalität bei den Mahlzeiten sorgen.

1. Berechenbarkeit statt Konkurrenzkampf

Bekommt man nun einen Hund, der offensichtlich befürchtet, nicht satt werden zu dürfen, sollte man erst einmal für Berechenbarkeit sorgen. Das heißt, feste Fütterungszeitpunkte festzulegen, bei denen man den Hund einfach nur füttert und ihm durch gelassenes Auftreten zeigt, dass sein Essen wirklich für ihn allein ist.

Das bedeutet natürlich nicht, dass ich mir die Futterschüssel aus der Hand reißen oder mich ungebremst anspringen lasse, aber ich lebe im ersten Schritt eine ruhige Stimmung vor. Weder kündige ich die Mahlzeiten übertrieben mit viel Tamtam und Aufregung an, noch bleibe ich neben dem fressenden Hund stehen und beobachte ihn dabei. Etwas, das sehr viele Hundehalter tatsächlich aber tun, was vorbelastete Hunde jedoch gleichzeitig hindert, Sicherheit und Entspannung beim Fressen zu finden.

Meiner Erfahrung nach würde es durch eine beruhigte Futtergabe bei vielen Hunden, bei denen schon eine latente Neigung zur Futterverteidigung vorhanden ist, so gar nicht erst zur eskalierenden Futteraggression kommen. Ganz simpel dadurch, dass ich als Hundehalter meinem Hund vermittele, dass ich sein Problem erkannt habe und verlässlich dafür sorge, dass er satt werden wird. Ich ersetze also das Gefühl der Unsicherheit und Sorge durch das der Sicherheit und Stabilität.

Eine ruhige Fütterungssituation ohne Konkurrenzdruck zu schaffen, sollte auch die erste Managementmaßnahme für Hunde sein, denen es nur vordergründig um das Futter geht, die letztlich aber ganz anders gelagerte Fragestellungen an den Hundehalter haben. Übertriebene Impulskontroll-Übungen, wie im Video demonstriert, können bei solchen Hunden ernsthaft gefährlich werden und die Probleme noch massiv verschärfen – insbesondere wenn sie laienhaft ausgeführt werden.

2. Muss man in den Futternapf des fressenden Hundes greifen dürfen?

Eine immer noch recht verbreitete Meinung vertritt die Antwort „ja“, da man dem Hund so zeige, wer der Chef in der Beziehung ist. Das halte ich für fragwürdig und bei entsprechenden Hundetypen auch schlicht für riskant. Mal davon abgesehen, dass es – wie ausgeführt – bei vielen Hunden beim Thema fressen gar nicht um das Problem einer irgendwie gearteten „Rangordnung“ mit dem Menschen geht.

Andererseits sollte man natürlich in der Lage sein, seinem Hund auch etwas Fressbares wegzunehmen. Kurz und knapp, weil es ihm in entsprechenden Situationen durchaus das Leben retten kann.

3. Erwartungshaltungen verändern

Hunde, die echte Sorge haben, nicht satt zu werden, sollten nicht durch übertriebene Maßnahmen ihrer Menschen noch in ihren emotionalen Befürchtungen darin bestärkt werden. Im Gegenteil muss man ihre Erwartungshaltung verändern.

Statt „ich nehme Dir etwas weg“ sollte es heißen „ich gebe Dir etwas dazu“. Das kann man ganz einfach machen, indem man seinem Hund, sobald er zunächst Ruhe und Gelassenheit bei der Futtergabe erfahren hat, dann einfach beim Fressen ganz nebenbei etwas noch Besseres zuwirft. Mit dem Ziel, es ihm später einfach mit in den Napf legen zu können. Denn wenn sich negative Befürchtungen in positive Erwartungen verwandeln, kann ich als Hundehalter auch an den Napf, ohne dass beim ursprünglich besorgten Hund ein Konkurrenzgedanke um Futter entsteht.

Achtung: Das wird nur funktionieren bei Hunden, die wirklich nur satt werden möchten und nicht noch weitere offene Beziehungsfragen an ihren Menschen haben!

Mit dem gelösten Hund, der sicher weiß, dass er verlässlich seine Mahlzeiten bekommt und satt werden darf und wird, kann man dann auch Impulskontrollübungen an Futter einbauen. Ob das nun zwangsläufig an den Hauptmahlzeiten sein muss, lasse ich mal dahin gestellt.

Ich wäre als Mensch jedenfalls auch nicht gerade erfreut darüber, wenn ich hungrig vor meiner Pizza jedes Mal noch 5 Kunststücke absolvieren sollte…

Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist

Bemerkt man, dass der eigene Vierbeiner zu Futteraggressionen neigen könnte oder sie sogar schon gegenüber den eigenen Menschen zeigt, sollte man sich zeitnah entsprechende Hilfe bei einem Profi holen, der die Situation individuell analysiert und einschätzt.

Es macht natürlich einen Unterschied, ob ein Hund (auch) Futterressourcen nutzt, um grundsätzliche Beziehungsfragen zu stellen, ob er einfach nur unbegrenzt und frech ist oder echte Befürchtungen hat, nicht satt zu werden.

Übrigens: Ein Hund der nur Angst hat, nicht satt werden zu dürfen, sieht selbst im Aggressionsverhalten am Futternapf in der Regel ganz anders aus als einer, der Grundsatzfragen mit seinem Menschen über den Umweg Futter klären will. Bei letzterem ist der Futternapf oder Kauknochen Mittel zum Zweck, aber nicht notwendigerweise der Grund zur Futterverteidigung.

Vorsichtig sollte man meiner Meinung nach als Hundehalter aber sein, wenn Impulskontroll-Übungen die einzigen Tipps sind, die man als Lösung für Futteraggressionen präsentiert bekommt. So einfach ist es nämlich gerade nicht.

Denn auch der ursprünglich nur besorgte Hund, kann im ungünstigsten Fall lernen, ganz schön aus der Jacke zu springen und – wenn wenn es ein entsprechender Hundetyp ist – danach noch ganz andere Themen mit seinem Halter aufmachen. Und dann wird es richtig unangenehm…

Einfach mal richtig satt fressen lassen

Gerade wenn ich einen Hund übernommen habe, der schon deutliche Futteraggression im Gepäck mitgebracht hat, rate ich zu einem:

Lass Deinen Hund sich 2 bis 3 Mal in der Woche richtig, richtig satt fressen!

Er sollte die regelmäßige Erfahrung machen dürfen, auch mal einen wirklich vollen Magen zu haben.

Dafür kann man ganz einfach die regulären Mahlzeiten mit viel für Hunde geeignetem gekochten Gemüse oder Futterzellulose strecken.

Einfach mal googlen, welches Gemüse für Hunde geeignet ist.

Entschuldigung an meinen Hund

Dieses Video habe ich nicht gerne gemacht. Es war mir aber wichtig, weil ich genau diese oder entsprechend ähnliche Vorgehensweisen immer wieder regelmäßig  bei so vielen Hundehaltern zum Thema Futteraggression sehe.

Das ist das erste und einzige Mal, dass mein Hund nicht einfach in Ruhe fressen durfte und von mir in diesem Zusammenhang „kommandiert“ wurde.

Das wollen wir beide nie wieder…

Der unbeschränkte Welpe – Dein Problemhund von morgen

Der unbeschränkte Welpe – Dein Problemhund von morgen

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Es gibt in den letzten 20 Jahren eine sehr ungute Entwicklung bei Welpen. Einen Trend, den ich als Hundetrainerin mit echter Sorge betrachte:
Denn proportional zu dieser Entwicklung steigt die Anzahl der Hunde, die einem später als echte Problemhunde vorgestellt werden und die als ernsthaft nicht gesellschaftsfähig zu bezeichnen sind.

Ich spreche von einer immer größer werdenden Anzahl von Welpen, die mit 10 oder 12 Wochen keine einzige Sekunde still sitzen können.
Welpen, die ohrenbetäubend schreien, kreischen und heftig zubeißen, wenn sie nicht sofort bekommen, was sie genau JETZT wollen.
Welpen, die schon mit 9 Wochen zähnefletschend vor ihrem neuen Besitzer stehen – bereit, ihren Futternapf bis auf’s Blut zu verteidigen.
Welpen, die hysterische Wutanfälle bekommen, wenn sie mal für mehr als eine Sekunde festgehalten werden müssen, weil sie sich nicht den Döner inklusive Aluverpackung reinpfeifen oder sich eine verlorene Socke ihres Halters in den Magen schieben sollen.
Welpen, bei denen es quasi unmöglich ist, Ohren- oder Augentropfen zu verabreichen.
Welpen, die sich mit 8 Wochen schon ernsthaft in ihren Artgenossen festbeißen und mit absoluter Vehemenz beißschütteln.

Hört sich gruselig an? Ist es auch. Aber woher kommt das?
Meiner Erfahrung nach hat das insbesondere drei Gründe:

1. Die kleinste Anzahl von Welpen wird inzwischen noch bei einem verantwortungsvollen Züchter gekauft.

Das ist ein Züchter, der seine Welpen von Anfang an gut sozialisiert, schon vor der Abgabe dosiert an gewisse Umweltreize gewöhnt und ihnen bis zur Übergabe an ihre Käufer schon die eine oder andere Spielregel welpengerecht beigebracht hat. Unter anderem die, dass es natürlich auch gewisse Umgangsformen zwischen Mensch und Hund gibt.
Ein Züchter, der die Entwicklungstendenzen seiner Sprösslinge sehr gut einschätzen kann und dementsprechend darauf achtet, dass der Käufer auch zu dem Welpen passt.
Ein Züchter übrigens auch, der sieht, wenn seine Hündin z.B. mit ihrem ersten Wurf erzieherisch überfordert ist und für entsprechend qualifizierten vierbeinige Unterstützung durch erfahrene „Tanten“ und „Onkel“ sorgt.

Das ist kein Züchter-Bashing. Die richtigen werden mir zustimmen, die anderen dürfen sich gerne angesprochen fühlen.
Es gibt genug gute Züchter, die das genau so machen und von Geburt an wirklich viel Arbeit und Herzblut in jedes Individuum ihrer Würfe stecken. Leider gibt es aber mindestens ebenso viele andere.

Und – das muss man leider auch genau so sagen:
Die Nachfrage nach Welpen ist inzwischen einfach um ein vielfaches höher, als dass diese Anzahl von angefragten Welpen überhaupt noch von entsprechend guten Züchtern „produziert“ werden könnte…

2. Es wird gemixt, was man mixen kann:

Die einschlägigen Online-Verkaufsportale geben her, was auch immer man sich wünscht. Oder verkaufen will. Da wird der Husky mit dem Spitz gekreuzt, der Malinois mit dem Herdenschutzhund, der Australian Shepherd mit dem Weimaraner und der Weimaraner mit dem Labrador.
Sieht oft gut aus, bekommt meist coole neue „Rassetitel“. Ist aber genetisch eher semi- kompatibel, was man da so miteinander vermischt. Je mehr (unterschiedlicher) Gebrauchshund drin ist, desto schwieriger wird es in der Erziehung. Und wenn es dann noch das „Beste“ von beiden ist… dann musst Du als Welpenbesitzer sehr, sehr schnell echter Experte für Rassekunde werden!
Das sind aber die wenigsten.

Von guter Sozialisierung durch einen „Züchter“ spreche ich hier gar nicht mehr. Jemand der Ahnung von Genetik hat, kreuzt bestimmte Rassen eben gerade NICHT miteinander. Punkt.

3. Hundebesitzer wollen – oder können (!) – gar nicht mehr erziehen:

Ein Trend, der leider auch immer mehr und mehr zunimmt.
Den Welpen will man noch. Aber alles andere wird schwierig. Grenzen setzen tut einem in der Seele nämlich schrecklich weh!
Statt eine Grenze zu setzen, wo eine Grenze hingehört, springen auch erwachsene Menschen inzwischen weinend auf der Flucht vor den Milchzähnen ihrer Welpen auf’s Sofa. Oder bedienen jedes Gekreische ihres kleinen Hundes mit entsprechender Aufmerksamkeit und erfüllen jeden Wunsch sofort und dienstgerecht.

Konflikte annehmen? Bearbeiten? In die richtigen Bahnen lenken? Einmal aushalten, dass auch ein Welpe nicht immer nur fröhlich sein muss, dass ein Welpe auch gar nicht fröhlich sein SOLL, nachdem er eine Grenze aufgezeigt bekommmt?
Das alles… Fehlanzeige.

Es gibt für niemanden auf dieser Welt ein absolutes Recht auf immerwährende Fröhlichkeit.
Vor allem dann nicht, wenn diese „Fröhlichkeit“ eine ständige Einschränkung anderer voraussetzt. Eine solch gelebte Fröhlichkeit heißt übrigens Egoismus. Und die verkehrt sich sehr schnell in Wut und Aggression, sobald sich einer nicht – oder nicht mehr – einschränken lassen will.
Nun reicht in der Regel schon eine der drei oben genannten Komponenten, um das Leben mit einem Welpen schwierig genug zu machen. Dummerweise kommen inzwischen aber ganz oft zwei oder sogar alle drei Punkte zusammen:

Richtig erziehen will der Mensch nicht, beim guten Züchter gekauft war nicht dabei und von der Rasse/den Rasse-Mixen hat man eigentlich auch keine Ahnung.
Das Ergebnis sind entweder Hunde, die irgendwann ihren Ursprüngen entsprechend in den eischlägigen Online-Portalen als Wanderpokale weiter gereicht werden, im Tierheim landen oder schlicht gefährlich in ihrem und für ihr Umfeld sind:

Weil sie beißen, weil sie ungehemmt jagen, weil sie für ihre Halter (nicht mal) an der Leine zu händeln sind. Weil sie – bestenfalls – nichts anderes können, als jeden Artgenossen im „Spiel“ mit Wucht umzuballern. Im schlimmstesten Fall machen sie einfach keine Gefangenen mehr, wenn ihnen nur die Musik nicht passt.

Gemachte Egoisten.

Nicht, weil sie so sein wollten. Sie sind so geworden, weil wir Menschen es zugelassen haben.

Rassespezifische Eigenschaften Teil 2 – Territorialverhalten

Rassespezifische Eigenschaften Teil 2 – Territorialverhalten

Im zweiten Teil der rassespezifischen Eigenschaften geht es am Beispiel Territorial- bzw. Revierverhalten um die klassische Selbstbelohnung.

Revierverhalten.
Als Revierverhalten bezeichnet man in der Biologie alle Verhaltensweisen, die das Revier eines Tieres oder (s)einer Gruppe kenntlich machen oder die geeignet sind, das Revier gegen andere, revierfremde, Artgenossen zu verteidigen. Also vom Markieren über das Drohen bis hin zum Angriff.
Im Laufe der Domestikation vom Wolf zum Hund haben wir Menschen uns dies zum Vorteil gemacht und Hunde entsprechend ihrer Nützlichkeit zu unseren Bedürfnissen selektiert. Im Falle des Territorialverhaltens heißt dies, dass uns Hunde tatsächlich nützlicher erschienen, die ein „Revier“ nicht nur gegen gruppenfremde Artgenossen verteidigen, sondern auch gegen fremde Menschen:

Potenzielle Diebe von Hab und Gut, Vieh, Nahrungsmitteln etc.pp.

Je nachdem, wie ausgeprägt und in wecher Form man das Revierverhalten für sich einsetzen und nutzen wollte, hat man die Tiere ihren Aufgaben entsprechend selektiert und „gezüchtet“.
Daraus entstanden sind bestimmte Hundeschläge bzw. später spezielle Gebrauchshunderassen.

Der Spazierweg und das mobile Revier.
Zum Leidwesen vieler Hundebesitzer beschränkt sich für viele Hunde das Territorialverhalten keineswegs nur allein auf Wohnung oder Garten. Revier ist das, wo man sich häufig aufhält, also durchaus auch die regelmäßig frequentierte Gassi-Strecke.

Und manch ein Hund hat sein „mobiles Revier“ schlicht immer und überall im Gepäck und packt es dann bei jeder entsprechenden Gelegenheit auch aus. Zum Beispiel wenn sein Mensch sich für 5 Minuten auf die Parkbank setzt.
Und auch dieses Verhalten ist bei vielen Hunderassen im Zuge der genetischen Selektion und ursprünglichen Verwendungszwecke nicht nur gewünscht, es war und ist – zum Teil bis heute – gewollt.

Genetische Eigenschaften sind selbstbelohnend.
Genau diese genetisch fixierten Eigenschaften sind es aber häufig, die dem heutigen Hundehalter irgendwann auf die Füße fallen:
Denn diese, vom Menschen züchterisch geförderten, Rassetalente macht vor allem eins aus – sie sind selbstbelohnend!

Die intrinsische Motivation.
Man spricht hier auch von der sog. intrinsischen Motivation. Das beudeutet – verkürzt – nichts anderes, als dass das Erleben und Ausleben bestimmer Verhaltensweisen selbst so viel Freude und Spaß bereitet, das keine Verstärkung mittels Belohnung von außen erforderlich ist. Ein Verhalten, das auf innerer Motivation beruht, verstärkt sich also einfach selbst dadurch, dass es (aus)gelebt wird.

Das ist im übrigen auch die ganz simple Erklärung dafür, warum sich so viele Hunde insbesondere im Revierverteidigungsmodus (und zum Leidwesen ihrer Halter) so unbestechlich gegenüber guten Worten und der Fleischwurst zeigen…

Um beim Territorialverhalten von Hunden zu bleiben: Je mehr Wert der Mensch also im Laufe der Selektion von Hunderassen auf eben dieses Verhalten gelegt hat, desto weniger muss er tun, um genau dieses beim Hund hervorzurufen. Es muss also eben gerade nicht (!) mühselig trainiert werden, dass der Hund Revierverteidigung zeigt.

Die Aufgabe des Hundehalters
Was der Mensch als Hundehalter in unserer heutigen Zeit, vorzugsweise in dichtbesiedelten Gebieten wie z.B. Deutschland, stattdessen zwingend tun muss, ist etwas ganz anderes:

Er muss Sorge dafür tragen, dass insbesondere der „Gebrauchshund“ in Privathand händelbar bleibt. Und dafür müssen von Welpenbeinen an Spielregeln aufgestellt werden. Es ist also unabdingbar, dass auch revierverteidigendes Verhalten zwingend begrenzt werden muss!

Genetisch fixierte Rasseeigenschaften lassen sich von der intrinsichen Motivation eines entsprechenden Hundes schlicht nicht entkoppeln. So einfach ist das. Und so komplex gleichermaßen!

Denn nun ist das, trotzallem, mit allen genetisch fixierten Rasseeigenschaften eine recht verzwickte Sache: Die sind nämlich nicht – plopp! – mit dem Tage der Geburt eines Welpen von jetzt auf gleich in ganzer Ausprägung vorhanden. Sie entwickeln sich stattdessen sukzessive im Verlaufe des Erwachsenwerdens.

Das macht auch biologisch Sinn. Sonst wären, by the way, viele Hunde schon als Welpe für ihre Menschen nicht mehr händelbar. Wobei es das, insbesondere im Aggressionsbereich, gar nicht so selten gibt. Das ist aber ein anderes Thema

Fördere nicht, was Du nicht händeln kannst.
Was heißt das denn nun für den Hundehalter in Bezug auf das Territorialverhalten?

Es heißt nichts anderes, als dass ich keinesfalls fördere, was ich objektiv nicht in der Lage bin bei meinem Hund zu kontrollieren. Einem Dobermann, Rottweiler, Schäferhund, Hovawart oder Cane Corso muss ich nämlich nicht beibringen, wie das mit dem Aufpassen geht. Das kann der ganz von allein.

Und nicht nur das. Ich sollte nicht nur NICHT fördern, ich darf entsprechende Tendenzen auch nicht einfach so ignorieren und hoffen, dass die sich irgendwann „verwachsen“. So funktioniert das mit der intrinsischen Motivation eben nämlich gerade nicht!

Auch ignorieren heißt fördern.
Sprechen wir Klartext. Ignorieren ist hier nichts anderes als Fördern. Fördern durch Unterlassen und Nichtstun. Denn der Hund verschafft sich seine Belohnung völlig ungehemmt und zu seinen Bedingungen einfach selbst. Indem er tut, was er tut.

Im Falle des entsprechenden Hundetyps/Hunderasse mit ausgeprägtem Revierverhalten ist man also gut beraten, sich sehr genau zu überlegen, ob man als Hundehalter diesen Talenten seines Hundes auch gewachsen ist. Denn auf „später“ verschieben kann man hier nicht. Zumindest nicht dann, wenn man doch noch mal von irgendwem Besuch erhalten oder sicherstellen möchte, dass der Hund nicht zur Gefahr für andere auf dem üblichen Spazierweg wird.

Die Geister, die ich rief, lassen sich nämlich oft nur schwerlich, manchmal gar nicht – und selten widerstandslos – zurück in die Flasche schicken.

Daher hat es verständliche Gründe, wenn ein entsprechender Hundezüchter die Abgabe in Privathand ablehnt, weil er z.B. seine Hunde ausschließlich für den Dienstgebrauch bei der Polizei züchtet. Oder ein Züchter seine Welpen nur an bereits hunde- und rasseerfahrene Menschen abgibt. Er weiß nämlich, wie sich seine Hunde bei unbedarften Privathundehaltern oder Hundeanfängern entwickeln würden – im Gegensatz zu den marktbedienenden Online-Händlern, Kofferraum-Verkäufern und Muddi und Pappa Müsch, die sich mal eben überlegt haben, dass es eine tolle Idee wäre, wenn Aussie Anna mit Pitbull Piet Nachwuchs zeugt. Denen ist das nämlich egal mit den rassespezifischen Eigenschaften und der intrinsischen Motivation. Meistens wissen sie darüber auch einfach nichts.

Rassespezifische Eigenschaften Teil 1 – Jagdverhalten

Rassespezifische Eigenschaften Teil 1 – Jagdverhalten

Durchbrennen oder nicht – kann man Jagdverhalten abtrainieren?

Viele Hunde sind ziemlich passionierte Jäger und nutzen jede sich bietende Gelegenheit, ihrem Hundehalter zu entwischen, sobald sich ein jagdbarer Reiz bietet.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob man seinem Vierbeiner die Jagdlust nicht irgendwie abtrainieren kann?

Die Antwort ist eindeutig nein.

Warum das nicht geht, zeige ich euch hier anhand eines Videoausschnitts mit meinem eigenen Malinois-Herdenschutzhund-Mischling Fifty und erkläre euch in den Untertiteln, was er da in sehr schneller Abfolge eigentlich tut.

Jagdliche Appetenz

Das, was ihr auf diesem Video seht, ist das Ergebnis mühseliger Arbeit von einem ganzen Jahr Training, bis überhaupt an Freilauf zu denken war. Vorher wäre Fifty einfach schon bei der kleinsten Bewegung am Horizont durchgebrannt oder bei dem Geruch einer frischen Fährte auf und davon gewesen. Und trotzdem könnt ihr deutlich erkennen, dass man „Jagdverhalten“ eben NICHT wegtrainieren kann – im günstigsten Fall ist es für den Hundehalter gut kontrollierbar.

Denn auch Fifty ist hier natürlich mit allen Sinnen im Jagdmodus: Umgebung visuell scannen, hören, riechen. In diesem Fall ist es der Beginn der jagdlichen Handlungskette und die gezielte Suche nach einem möglichen Reiz. Das ist die sogenannte Appetenz.

Hohe Jagdmotivation als Problem im Alltag

Eine hohe Jagdmotivation kann sich im Alltag als echt gravierendes Problem herausstellen: Nicht nur bei Wild, sondern gerade, wenn bei einem Hund noch andere Bewegungsreize das genetisch manifestierte Beutefangverhalten auslösen wie Autos, Radfahrer, Jogger, spielende Kinder oder auch… rennende (Klein)hunde!

Rassetypische Eigenschaften

Als mein Hund mit 1,5 Jahren aus Ungarn kam, war für den vermittelnden Tierschutzverein klar, dass er – trotz seiner grundsätzlich freundlichen und aufgeschlossenen Persönlichkeit – NICHT an Hundeanfänger vermittelt wird.

Das war auch die richtige Entscheidung.

Er würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit heute Radfahrer, Autos und Jogger jagen, kleine, rennende Hunde als potenzielle Beute betrachten und wäre in Wald und Feld weder ansprechbar noch ableinbar. Und ein paar Herdenschutzhund typische Verhaltensweisen wären vermutlich bei Hundeänfängern ebenfalls eskaliert.

Es hätte keiner Mühe bedurft, aus diesem Hund ein Tier zu machen, mit dem in kürzester Zeit der Alltag zu einer alptraumhaften Katastrophe geworden wäre, denn die Anlagen dafür hatte er natürlich damals schon. Man konnte sie an der einen oder anderen Stelle auch schon sehr deutlich aufblitzen sehen.

Um kein falsches Bild entstehen zu lassen: All das, was mein Hund heute kann, hätten viele andere mit ihm auch hinbekommen. Gewisse Erfahrung und Voraussicht allerdings zwingend vorausgesetzt.

Mein Vorteil war schlicht und ergreifend, dass ich auf einen großen und jahrelangen praktischen Erfahrungsschatz zurückgreifen durfte.

Dieser Hund war nicht mein erster mit entsprechender Jagdleidenschaft, ich wusste sehr genau um die Talente und Probleme, die der Malinois mit sich bringt und auch um die Besonderheiten von bestimmten Herdenschützern.

Kurz – ich wusste, worauf ich mich einlasse.

Richtige Prioritäten gleich zu Beginn setzen

Ich habe mich damals sehr bewusst für diesen Hund entschieden, um dann ebenso genau unser erstes gemeinsames Jahr zu planen. Insbesondere, welche Dinge ich bei einem 1,5jährigen Rüden dieses Rasse-Mixes sehr schnell etablieren muss und welche Dinge auf der Liste warten können.

So war es mir u.a. sehr wichtig, dass ich ihn in jeder Situation (auch dem Lauf oder Spiel heraus) ins Platz schicken kann. Ein bombenfestes Platz. Damit ich ihm situationsbedingt die Sicht bzw. Übersicht nehmen kann.

Sitz war mir eher unwichtig – da kann er nämlich IMMER viel zu viel sehen. Was ungünstig ist bei einem Hund, der auf Bewegungsreize sofort anspringt.

Großen Wert habe ich zudem gelegt auf einen richtig schnellen Rückruf: Denn wenn ein Hund erst überlegt, ob er kommt und in welchem Tempo er dies – vielleicht – zu tun gedenkt, dann hat er zuviel Zeit für eigene Entscheidungsfindungen in genau den Situationen, wo es drauf ankommt. Das geht einfach nicht bei jagdambitionierten Hunden.

Wichtig war mir auch, dass er vom ersten Tag an eine absolut saubere Leinenführung lernt, sich an mir orientiert und Rücksprache hält. Weil ich mir im Dunkeln nämlich selbst nichts schlimmeres vorstellen kann, als einen Herdenschutzhund, der mit der körperlichen und geistigen Geschwindigkeit eines Malinois die Entscheidung trifft, wer sich noch auf der Straße aufhalten darf und in Kombi mit Bewegungsreizen plötzlich in den Jagdmodus schaltet!

Was nicht geht!

Es gibt aber auch Dinge, mit denen ich trotzallem leben muss. Zum Beispiel, dass dieser Hund in der Dunkelheit sich trotz allen Trainings so sehr in seiner Jagdleidenschaft verlieren kann, dass er an der Leine bleiben muss. Das haben wir aber tatsächlich in dieser Form nur noch bei Wild und im Feld.

Daran hätte ich noch weiter arbeiten können. Aber weil ich mich im Dunkeln nicht regelmäßig auf Feldern und im Wald rumtreibe, habe ich pragmatisch entschieden, dass mir das nicht wichtig genug für weiteres Training ist. Leine dran. Fertig.

Mit meiner vorherigen Malinois-Rottweiler-Hündin habe ich das sogar in Dämmerung und Dunkelheit erfolgreich, aber mit viel Zeit und Mühe trainiert. Damit ich weiß, wie es ist. Das ist aber eher so ein Hundetrainer-Ding. Das muss, ehrlich gesagt, kein normaler Hundehalter tun. Man kann auch einfach eine Leine dran lassen, wenn man weiß, es wird brenzlig und es ist keine stetige Alltagssituation.

Ballspielen ist übrigens auch etwas, was Fifty nicht darf. Da reichen tatsächlich ein paar unreflektierte Würfe – und er ist die nächten Tage völlig unter Strom in Bezug auf sämtliche Bewegungsreize und dann nicht mehr ableinbar. Das ist also nicht zu unterschätzen!

Der jagdmotivierte Hund als Lebensaufgabe

Fifty ist für mich in beuteorientierten Situationen heute gut händelbar. Es wird allerdings nur so bleiben, wie es ist, wenn ich kontinuierlich an dem Thema dranbleibe.

Jagdverhalten ist nichts, was einfach aufhört, nur weil man ein Jahr trainiert hat. Oder zwei. Das ist eine lebenslange Aufgabe. Etwas, das einem in Fleisch und Blut übergehen muss – in aller Konsequenz.

Ersatzaufgaben

Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass es aus meiner Sicht nicht hundegerecht ist, jagdpassionierte Hunde ausschließlich durch Training kontrollierbar zu machen. Sie müssen eine adäquate Ersatzaufgabe bekommen, die ihnen ermöglicht, ihre jagdlichen Talente bis zu einem gewissen Grad ausleben zu dürfen.

Bei uns ist das die Objektsuche.

Und weil Fifty für mich im Feld inzwischen zuverlässig ansprechbar bleibt und weiß, dass er Hasen und Rehe nur anschauen darf,  sind pirschen, vorstehen und Mäusesprünge heute erlaubt. Aber, und da bin ich ehrlich, das geht so nicht mit jedem Hund.

Das Gehirn braucht auch ein NEIN!

Das Gehirn braucht auch ein NEIN!

Hektisch, rastlos, aufgewühlt…

Seit Jahren nimmt die Anzahl der nervösen, überdrehten und gestressten Hunde, die uns Hundetrainern vorgestellt werden, erschreckend zu. Das sind Hunde, die einem normalen Alltag kaum noch gewachsen sind.

Viele Hunde können ganz banale Dinge nicht mehr leisten

Zum Beispiel ruhig im Café unter dem Tisch zu liegen, ein paar Stunden gechillt alleine Zuhause zu bleiben, gelassen an Passanten, Joggern und Radfahrern vorbei zu gehen und nicht hysterisch kreischend jeden Artgenossen an der Leine zu kommentieren.

Ich finde es inzwischen tatsächlich schwierig, diesen ganzen völlig überforderten Hunden beim „Leben“ zuzuschauen. Oder bei dem, was ihr tägliches Leben ausmacht.

  • Wie sie keine Sekunde still sitzen können
  • Wie sie ihr Gehirn nicht den Bruchteil einer Sekunde auf einen festen Reiz fokussieren können. Weil hören, sehen, riechen – alles gleich WICHTIG, WICHTIG, WICHTIG ist!
  • Hunde zu erleben, die so reizüberflutet sind, dass sie nicht mehr zur Ruhe kommen.
  • Hunde, die verzweifelt versuchen, die Kontrolle zu behalten – und sie doch längst verloren haben.

Fehlendes hierarchisches Bewertungssystem von Reizen als Ursprung von Verhaltensauffälligkeiten

Das Thema der „durchgenallten“ Hunden ist tatsächlich ein ganz akutes Problem in unserer Gesellschaft geworden. Es werden immer mehr dieser „problematischen“ Hunde, die in den Hundeschulen auftauchen. Immer mehr Hunde, die permanent auf 180 sind. Immer mehr Hunde, die nervös oder hyperaktiv sind, angeblich unerziehbar oder launenhaft und aggressiv.

Dieser ungute Werdegang beginnt für viele Hunde leider schon als Welpe.

Was die meisten dieser Hunde in der Regel eint, ist die mangelnde Fähigkeit, Reize hierarchisch zu bewerten. Ganz simpel nach wichtig, nicht so wichtig, wenig wichtig und belanglos.
Es fehlt eine ganz klare und einleuchtende Struktur, mit dem Alltag und alltäglichen Begebenheiten umzugehen.

Ungefilterte Reize

Stell Dir vor, Du gehst raus auf die Straße und alle Eindrücke prasselten permanent & ungefiltert – mit der gleichen Wichtigkeit – auf Dich ein:

  • Jede Bewegung eines jedes Menschen, der an Dir vorbeigeht.
  • Jeder Schatten, der vorbeihuscht. Jedes Blatt, das flattert.
  • Und überhaupt – wie sehen die anderen Menschen eigentlich alle aus? Haben die einen Hut auf? Eine Mütze? Einen Regenschirm bei sich? Ist die Jacke grün oder rot? Nehmen die gerade die Hände aus der Tasche? Oder stecken sie sie rein? Schneuzen die sich? Stolpert da gerade jemand?
  • Jedes Geräusch: Jede bremsende Straßenbahn, jeder bremsendes Auto, das Signal von der Ampel, wenn sie auf „grün“ springt, die Klingel des Eiswagens, das Gekreische der Katzen, die sich einen Block weiter streiten, das Martinshorn von Krankenwagen, Feuerwehr oder Polizei.
  • Jeder Geruch, der vorbeizieht. Von der Dönerbude, von der Pizzeria, vom Bäcker bis hin zum gammeligen Müllberg neben der Parkbank und zur Deomarke des Sitznachbarn im Bus.

Eigentlich unvorstellbar, oder? Der absolute Super-GAU für unser Gehirn!

Reizbewertung zu vermitteln, ist ein Erziehungsauftrag

Weil unser Gehirn mit solch einem Super-Gau nicht gut umgehen kann, haben unsere Eltern uns von klein auf tatsächlich etwas ganz wichtiges beigebracht: NEIN.

NEIN, das ist jetzt nicht wichtig.
NEIN, das machst Du jetzt nicht.
NEIN, Du machst jetzt genau das, aber nicht das andere.
NEIN, Du musst auf die grüne Ampel warten – auch wenn der Eiswagen dann weg ist. Shit happens. Gibt’s das Eis vielleicht morgen. Jedenfalls nicht jetzt.

Was unsere Eltern mit ihrem simplen „NEIN“ getan haben, ist ein unglaubliches Geschenk für unsere Gehirnentwicklung. Nämlich wichtige von unwichtigen Reizen zu unterscheiden.
Damit wir nicht irre werden, damit wir Prioritäten setzen können, sinnvolle Entscheidungen treffen, überlegt handeln – und uns eben gerade nicht in völliger Reizüberflutung verlieren!

Action statt Reizbewertung

Für viele Hundehalter scheint dieses simple Prinzip aber leider noch nicht angekommen zu sein.
Da wird stundenlang am Problem vorbei bespaßt, Bälle geworfen, Suchspiele gemacht, Tricks geübt – alles im Sinne der Auslastung. Damit Waldi endlich aufhört, alle anderen Hunde anzuschreien, Menschen zu beißen, endlich mal Ruhe gibt, anstatt lautstark das Haus zusammen zu kläffen, wenn er mal 20 Minuten alleine bleiben muss.
Statt „nein“, Ruhe und Struktur gibt es noch mehr Reize. Alternative Reize. Noch mehr Hochpuschen, noch mehr Action.

Nur eins gibt es nicht: Pause. Zeit zum Nachdenken. Zeit, die Synapsen im Hirn sinnvoll – und mit VERSTAND – zu verbinden.

Einen überdrehten, reizüberfluteten Hund durch noch mehr Reize zur Ruhe zu bekommen, das funktioniert nicht. Es ändert nichts an seinem Problem.

Lasst dieses emotionale Chaos bei euren Hunden doch einfach von vornherein nicht zu. Es ist eure Aufgabe als Hundehalter, das Gehirn eures Vierbeiners zu ordnen. Nicht, ihn zu einem psychischen Wrack zu machen. Ein NEIN an der richtigen Stelle ist euer ganz persönlicher Beitrag zur seelischen Gesundheit eures Hundes.

Mach Dir keine Vorsätze. Triff Entscheidungen!

Mach Dir keine Vorsätze. Triff Entscheidungen!

Ich blicke zurück auf das vergangene Jahr… und ich weiß nicht, ob dieser Beitrag überhaupt um Hunde geht?
Irgendwie schon, auf der anderen Seite nicht: Denn es geht um Entscheidungen. Das A und und O im Leben eines jeden Menschen – und das, was unsere Vorsätze von Entscheidungen unterscheidet.
Die Vorsätze kennen wir alle zum Jahreswechsel – Ziele, die man erreichen möchte. Watteweich und glorifiziert als utopisches Ergebnis definiert:

15 Kilo abnehmen, mehr Sport, weniger Fastfood, mit dem Rauchen aufhören, dem jahrelang ziehenden Köter endlich die Leinenführigkeit beibringen…

Kennnen wir alle, lachen müde drüber und wissen ohnehin, dass es beim Silvestervorsatz bleibt. Mit Vorsätzen kann man insbesondere zu dieser Jahreszeit unbehelligt um sich werfen. Es fragt in zwei Wochen ohnehin keiner danach, ob man sich daran halten wird.

Aber was ist mit Entscheidungen? Warum tun wir uns so schwer, Entscheidungen für uns selbst zu treffen? Denn Entscheidungen sind es ja, die uns ein befreites Leben ermöglichen, nicht die Vorsätze über belanglose Dinge.

Entscheidungen machen frei. Und je mehr Entscheidungen Du für Dich triffst, desto weniger Angst werden sie Dir in unsicheren Situationen machen.
Weniger Angst übrigens auch, einmal eine falsche Entscheidung zu treffen. Denn falsche Entscheidungen sind vorallem eins – etwas, das Du beim nächsten Mal anders machen kannst. Ein Hinweis darauf, dass Du noch einmal nachdenken musst, Dinge verändern solltest, in Dich gehen. Um es dann gar nicht unbedingt „besser“ zu machen, sondern manchmal einfach nur auf einem anderem Weg zu probieren.

Falsche Entscheidungen sind aber eins nie: Ein Hindernis für die Zukunft.
Denn auch eine falsche Entscheidung sagt Dir ja etwas. Du hast Dir in diesem Moment dabei etwas gedacht. Es gab Gründe, warum Du diese Entscheidung genau so getroffen hast, wie Du sie getroffen hast. Es gab Gründe, warum Du so gehandelt hast, wie Du es getan hast.

Eine falsche Entscheidung ist trotzdem immer das, was Dich von denen unterscheidet, die gar keine Entscheidung treffen. Denn gar keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung. Darüber, dass alles so bleibt, wie es ist. Oder dass einfach andere die Entscheidung für Dich treffen werden. Ohne Mitspracherecht für Dich.

Entscheidungen sind das, was das eigene Leben lebenswert machen.
Es gibt immer eine Wahl. Nicht die Versprechung auf das Ideal, aber die Möglichkeit, nicht verharren zu müssen. Beweglich zu bleiben. Aktiv Veränderungen zu bewirken. Vielleicht erst in kleinen, zögerlichen Schritten – bis einem irgendwann die 7-Meilen-Stiefel passen.
Die 7-Meilen-Stiefel für das eigene Leben. Nicht das Leben, von dem man meint, dass es andere von einem erwarten. Was man ja auch meist nur glaubt, weil man die anderen nie gefragt hat…

Aber die Option auf 7-Meilen-Stiefel ist doch eine schönere Vorstellung, als mit eingeklemmten Zehen für den Rest seines Lebens in viel zu kleinen Kinderschuhen laufen zu müssen, oder?

Und ich finde, dass es unseren Hunden auch so geht.

Wenn ihr Entscheidungen mit und für sie trefft, dann können sie wachsen. An euch, an den Herausforderungen des Lebens, an euren Glauben an euch, dass ihr ihnen den Weg weist. Wenn sie an eure Zuversicht glauben dürfen, dass auch eine falsche Entscheidung kein Beinbruch ist – dann bleibt eine falsche Entscheidung auch einfach nur das: Ein Stolperstein auf den Widrigkeiten des Lebens. Kein Geröllschlag, der das Dasein noch schwerer macht.

Die Zuversicht in die eigenen Entscheidungen ist das, was eure Hunde an euch lieben. Nicht der Vorsatz, etwas besser machen zu wollen, die Trainingsphilosophie, die in eurem Kopf herumgeistert oder die Angst davor, einen Fehler zu machen. Schaut auf euch, euren Hund – und handelt. Mit Herz, Bauch und Verstand.

Und glaubt mir: Ein fehlerfreies Leben mit Hund ist genauso utopisch wie zuverlässig das Wetter vorausssagen zu wollen. Es geht nicht.

Ich wünsche euch euch allen ein tolles und entscheidungsreiches Jahr 2020!